Portraits

Freiwillige im Einsatz

Es geht nicht um mich

Pascal Scholl war langjähriger Leiter der Abteilung Personal und Organisation des Kantons Aargau und hat sich intensiv mit der Reintegration von Menschen in das Arbeitsleben beschäftigt. Seit der Pensionierung unterstützt er im Aufbau und in der Weiterentwicklung die Firma Continget, die sich an KMU beteiligt, die den Themenkreis Arbeit & Psyche auf ihre strategische Agenda setzen. Zudem engagiert er sich freiwillig als Mentor beim Tandem 50 plus.

Sie sind seit über drei Jahren Mentor beim Tandem 50 plus. Warum engagieren Sie sich freiwillig als Mentor?

Immer mehr Menschen erleben Krisen und vielleicht auch einen Bruch in der beruflichen Biographie. Alle Arbeitgeber machen die Erfahrung, dass Menschen plötzlich nicht mehr gleich funktionieren. Der Kanton hat in der Vergangenheit viel getan um diesen Mitarbeitenden zu helfen. Tandem 50 plus engagiert sich für Menschen der Generation 50+ und unterstützt sie, sich wieder im Arbeitsleben zu reintegrieren. Mir ist es ein Anliegen, diese Personen zu unterstützen. Sie sind wertvolle Personen für die Arbeitswelt. Für die meisten Menschen ist es auch sehr belastend nicht mehr arbeiten zu können.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Begleitung vor und was sind die ersten Schritte der Zusammenarbeit?

Zuerst studiere ich die Unterlagen, die ich von meinem neuen Mentee habe; Bewerbungsschreiben, Lebenslauf, usw. Danach steht das persönliche Kennenlernen für mich im Vordergrund. Mit neutralem und wertschätzendem Blick mache ich mir dann ein Bild von der Person. Meine Erfahrungen als ehemaliger Personalchef helfen mir dabei sehr. Danach beginnen wir zusammen zu arbeiten. Sicher gehört eine Standortbestimmung und eine Überprüfung der Bewerbungsstrategie an den Anfang. Ich bin dabei jeweils nicht zu euphorisch, auch wenn die Mentees oft gut ausgebildet sind und viel Erfahrung haben. Viele Arbeitgeber tun sich schwer mit der Anstellung von Menschen dieser Generation. Natürlich versuche ich auch zu verstehen, wie es zum Bruch in der beruflichen Laufbahn gekommen ist. Oft ist etwas im Umgang mit den Arbeitskollegen und Vorgesetzten schief gelaufen.

Welche Herausforderungen bringt Ihr freiwilliges Engagement mit sich? Und wie meistern Sie diese?

Manchmal fühlt man sich als Mentor hilflos. Warum findet das Mentee keine Stelle? Schätzt sich das Mentee falsch ein? Wie kann ich das Mentee besser unterstützen? Ich überlege mir dann das weitere Vorgehen, tausche mich auch mal mit Kollegen aus. Man muss dieses Gefühl aber auch aushalten können.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit den Mentees?

Oftmals sind die Mentees verunsichert, haben Existenzängste und ein tiefes Selbstbewusstsein. Dadurch hat sich ihr Verhalten geändert. Sie passen sich stark dem Umfeld an, wollen es allen recht machen und vergessen dabei, dass sie grundsätzlich ihre eigenen fachlichen und sozialen Kompetenzen für die zukünftige Stelle einbringen müssen. Hier ist es wichtig den Mentee in seinen Stärken zu bestätigen. Ein sorgfältiger Umgang mit den Mentees und seinen Fragen ist daher ein Muss.  Die Zusammenarbeit ist immer spannend und ich kann mich auch immer wieder über den Optimismus, über die Energie und den Willen nicht aufzugeben freuen.

Was ist Ihnen wichtig beim Thema Sorgfalt?

Dass ich zuhöre, Probleme ernst nehme, die Mentees wertschätze und dass ich spüre, wieviel man ihnen zumuten kann, so dass ich die Mentees nicht überfordere. Ich will die Person befähigen, sich weiterzuentwickeln und (wieder) an sich zu glauben. Es geht nicht um mich, sondern um das Mentee.

Wie bewahren Sie die persönliche Distanz zu den Mentees?

Für mich findet die Begleitung auf einer fachlichen Ebene statt. Was wir machen ist Arbeit und ich habe einen professionellen Umgang mit den Mentees. Wir treffen uns z.B. nicht in einem Restaurant. Zudem ist die Zusammenarbeit befristet auf vier Monate. Danach ist es richtig, einen Schlusspunkt zu ziehen und dabei zu analysieren, was gut gelaufen ist oder eben nicht. Für mich ist die Zusammenarbeit dann abgeschlossen. Verschwunden bin ich aber nicht. Die Mentees können mich immer via E-Mail oder Telefon erreichen, wenn sie noch ein Anliegen haben.

Was gibt Ihnen Ihr freiwilliges Engagement bei Tandem 50 plus zurück?

Es ist für mich eine sehr spannende Arbeit. Ich lerne Menschen kennen, die ich sonst nie kennenlernen würde. Stellensuchende, die reich an verschiedenen Facetten sind, sehr interessante Menschen. Denn ich bin in einer guten Lebenslage und möchte daher etwas dazu beitragen, dass es anderen auch besser geht. Ich möchte ein guter Gesprächspartner sein, der anderen gut tut. Das ist meine Motivation, mich freiwillig bei Tandem 50 plus zu engagieren.