Aktuell: Freiwilligen-Monitor 2020!

Alle vier Jahre erforscht die SGG den freiwilligen Einsatz zum Wohl von Mensch, Gesellschaft und Umwelt mit einer landesweiten Befragung. Jetzt liegen mit dem "Freiwilligen-Monitor 2020" die aktuellen Resultate vor. Diese zeigen Trends und Entwicklungen der Freiwilligenarbeit auf und bieten dadurch wichtige Grundlagen für unsere Arbeit.

Der Freiwilligen-Monitor Schweiz 2020 hat drei Bereiche genauer untersucht: Erstens wurde nach den Gründen gefragt, warum Menschen nicht mehr oder noch nicht freiwillig tätig sind und unter welchen Umständen sie sich in bestimmten Bereichen freiwillig engagieren würden. Es wurde zweitens differenziert nach den dank unbezahlten Engagements Begünstigten gefragt, um künftig Freiwilligenarbeit und Angehörigenbetreuung besser zuordnen zu können. Und drittens wurden die Formen finanzieller Vergütungen und Entschädigungen genauer erfragt, um künftig unbezahlte Freiwilligenarbeit und entschädigtes gemeinnütziges Engagement klarer unterscheiden zu können. Gerade in der Corona-Krise haben Bundesämter und Kantone, Unternehmen und Schulen den Wert des freiwilligen Engagements stärker entdeckt und Freiwilligenarbeit als Quelle und Ausdruck einer lebendigen und solidarischen Gesellschaft erlebt. 

Freiwilligen-Monitor 2020 (PDF)

 

Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweizer Bevölkerung ist sehr engagiert: 39 Prozent der Bevölkerung im Alter ab 15 Jahren sind formell freiwillig innerhalb von Vereinen oder Organisationen tätig; 46 Prozent leisten informelle Freiwilligenarbeit. 71 Prozent der Bevölkerung spenden Geld, 7 Prozent spenden Blut.

- Die Schweiz ist das Land der Vereine. Die hohe Zahl an Freiwilligen in den Vereinen und gemeinnützigen Organisationen erklärt sich auch durch die vielen Mitgliedschaften. Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung im Alter ab 15 Jahren sind Mitglied in einem Verein oder einer gemeinnützigen Organisation. 61 Prozent der Bevölkerung machen dort aktiv mit.

- Am meisten Mitglieder zählen die Sportclubs vor den Spiel-, Hobby- und Freizeitvereinen, den kulturellen Vereinen und den Religionsgemeinschaften, Kirchen und kirchennahen Organisationen.

- Die Zahl der Freiwilligen bleibt erstaunlich stabil. In den vergangenen zehn Jahren kann weder ein markanter Rückgang noch ein klarer Anstieg von Freiwilligkeit festgestellt werden. Weder beim Spenden noch bei der formellen oder informellen Freiwilligenarbeit ist der Anteil an engagierten Personen eindeutig gesunken oder gestiegen.

- Obwohl Freiwilligenarbeit per Definition unentgeltlich erbracht wird, wurden für den Freiwilligen-Monitor auch unterschiedliche Formen von gemeinnützigen Tätigkeiten erfragt, die finanziell vergütet oder materiell entschädigt werden. Am häufigsten erfolgt die Anerkennung für die geleistete Arbeit in Form von Essenseinladungen. Ein Fünftel der formell Freiwilligen erhält finanzielle Entschädigungen, die über Spesenentschädigungen hinausgehen. Männer werden eher finanziell entschädigt, und die Entschädigungen sind auch höher als bei den Frauen. Generell werden Ämter eher finanziell entschädigt, vor allem wenn es politische oder öffentliche Ämter betrifft. Freiwilligenarbeit mit einer finanziellen Entschädigung in Form von Honoraren, pauschalen Vergütungen oder Sitzungsgeldern gilt nicht mehr als Freiwilligenarbeit, sondern als gemeinnütziges Engagement, selbst wenn es von Befragten als Freiwilligenarbeit empfunden und bezeichnet wird.

- Bei der informellen Freiwilligenarbeit handelt es sich oft um unbezahlte Care-Arbeit, und die Personen, die dabei betreut und gepflegt werden, sind häufig Verwandte oder Bekannte der Helfenden. Im Gegensatz zur formellen Freiwilligenarbeit wird informelle Freiwilligenarbeit häufiger von Frauen geleistet. Viele informell Freiwillige sind bereits pensioniert: Sie hüten einerseits ihre  Enkelkinder und kümmern sich andererseits um ihre betagten Eltern. Solche Betreuungsarbeiten im familiären Umfeld können wegen bestehender moralischer Verpflichtungen streng genommen nicht als Freiwilligenarbeit gelten, selbst wenn die befragten Engagierten diese Dienste subjektiv als Freiwilligenarbeit empfinden und bezeichnen.

- Weit verbreitet ist die Nachbarschaftshilfe. 72 Prozent der Bevölkerung im Alter ab 15 Jahren erbringen im Laufe eines Jahres kleine nachbarschaftliche Hilfeleistungen wie Aushelfen mit Kleinigkeiten, Briefkasten leeren oder Pflanzen giessen. Nachbarschaftshilfe ist in der Stadt genauso üblich wie auf dem Land.

- Das Internet und die Sharing Economy bieten neue, vielversprechende Formen von Freiwilligkeit. Bei den Internet-Freiwilligen handelt es sich häufig um junge, männliche Städter. Viel Internet-Freiwilligkeit geschieht im Rahmen der formellen Freiwilligentätigkeit in Vereinen und Organisationen. Immerhin ein gutes Drittel der Internet-Freiwilligen engagiert sich aber ausschliesslich im Netz. Mit Blick auf die Sharing Economy zeigen nicht nur jüngere Personen eine hohe Bereitschaft, persönliche Dinge wie Bücher, Werkzeuge, das Auto oder gar die Wohnung zu teilen.

- Wer sich formell freiwillig engagiert, will mit anderen Menschen etwas unternehmen und bewegen, ihnen helfen, sich dabei weiterentwickeln und seine Kenntnisse und Fähigkeiten erweitern sowie Spass haben. Die finanziellen Entschädigungen werden dagegen nur selten als Beweggrund genannt. Mehr als das Geld locken die Herausforderung, die Verantwortung und die Abwechslung.

- Obwohl sich schon viele in irgendeiner Form freiwillig engagieren, gibt es auch ungenutztes Potenzial. Die grundsätzliche Bereitschaft, sich neu bzw. erneut zu engagieren, ist vorhanden. Die Bedingungen für einen (Wieder-)Einstieg in die Freiwilligenarbeit sind: genügend Zeit, ein gutes Thema, Flexibilität und ein funktionierendes Team. Ein Engagement in sozialen und karitativen Organisationen sowie
in Umwelt- und Tierschutzorganisationen scheint besonders viele NeueinsteigerInnen zu reizen.

- Freiwillige Tätigkeiten fördern das Vertrauen in andere Personen. Wer Freiwilligenarbeit leistet, hat deutlich mehr Vertrauen in seine Mitmenschen als diejenigen, die dies nicht tun. Besonders viel Vertrauen haben Personen, die in Vereinen und Organisationen freiwillig tätig sind. Freiwilligkeit wirkt sich auch auf das Vertrauen in die politischen Institutionen aus, nicht aber auf das Vertrauen in die Medien und die Wissenschaft.

- Die breite Darstellung von Freiwilligkeit und Freiwilligenarbeit im Monitor 2020 macht sichtbar, wie hoch das Engagement der Schweizer Bevölkerung ist und wie verschieden die Formen und die Motive  des Engagements sein können. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass die Grenzen zur Erwerbsarbeit auf der einen Seite sowie zur Care-Arbeit im familiären Nahraum auf der anderen Seite fliessend sind. Hier bedarf es einer vertieften Diskussion um die Kennzeichen und die zukünftige Erfassung der Freiwilligenarbeit.