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Privatauszug oder Sonderprivatauszug – oder gar beides?

Einsatzorganisationen verlangen von ihren Angestellten und auch von ihren Freiwilligen immer öfter Sonderprivatauszüge oder gar Privatauszüge aus dem Strafregister. Dies ist in gewissen Fällen ein Muss, jedoch nicht immer notwendig oder legitim. Aber wann kommt welcher Auszug zum Einsatz?

Im Privatauszug erscheinen Urteile wegen Verbrechen und Vergehen; Urteile wegen Übertretungen erscheinen nur, wenn zusätzliche Eintragungsvoraussetzungen erfüllt sind à siehe Download «Wissenswertes zum Schweizerischen Strafregister» (PDF).

Im Sonderprivatauszug sind ausschliesslich Urteile aufgeführt, die ein Tätigkeitsverbot oder ein Kontakt- und Rayonverbot zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen enthalten. Weiter bleiben gewisse Einträge länger im Sonderprivatauszug ersichtlich als im Privatauszug.

Der Strafregisterauszug ist also deshalb nur beschränkt aussagekräftig, weil zum einen die Einträge nach einigen Jahren wieder gelöscht werden, zum anderen sind Urteile von Schuldunfähigen nicht erfasst. Informativer dafür ist der Sonderprivatauszug. Er enthält die Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverbote während ihrer effektiven Dauer. Einen Sonderprivatauszug kann jeder Freiwillige selbst bestellen, wenn die Einsatzorganisation auf dem amtlichen Formular bestätigt, dass der Freiwillige eine entsprechende Tätigkeit ausübt oder ausüben will. Es bleibt jedoch wichtig zu betonen, dass auch ein Sonderprivatauszug keine absolute Sicherheit bietet! Erfasst werden nur die gerichtlichen Verurteilungen, und das ist ein Bruchteil aller Sexualdelikte mit Minderjährigen oder besonders Schutzbedürftigen.

Grundsätzlich vertritt benevol die Haltung, dass für Freiwillige die gleichen Informationspflichten gelten sollen wie für Angestellte in der gleichen Organisation. Für das freiwillige Engagement mit direktem Kontakt zu Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Erwachsenen ist das Einholen eines Sonderprivatauszugs stets angezeigt, denn Tätigkeitsverbote gelten auch für die formelle Freiwilligenarbeit.

Immer mehr Organisationen verlangen jedoch von ihren Mitarbeitenden sowie Freiwilligen zusätzlich einen Privatauszug in der Absicht, mehr Sicherheit zu gewinnen. Einsatzorganisationen dürfen von potenziellen Freiwilligen nur Privatauszüge fordern, wenn diese besondere Vertrauensstellungen innehaben und zusätzlich allfällige Straftaten einen direkten Einfluss auf das Tätigkeitsverhältnis haben könnten. Es muss somit ein genügender Tätigkeitsbezug vorliegen. Dies kann für Ehrenamtliche mit Führungs- und Finanzverantwortung gegeben sein, für übliche freiwillige Engagements hat die Einsatzorganisation jedoch keinen Anspruch, einen Privatauszug aus dem Strafregister zu erhalten.

Wichtiger als die vorgenannten Registerauszüge sind eine offene Unternehmenskultur und eine kompetente Führung der Freiwilligen, die weiss, wie mit der Thematik von Nähe, Distanz und Missbrauch richtig umzugehen ist. Dazu gehören eine sorgfältige Auswahl der Freiwilligen, regelmässige Kontakte mit ihnen und das Einschätzen ihres Verhaltens. Führungsverantwortung lässt sich nicht mit Papieren ersetzen.

benevol Schweiz
Dr. Jonas Wüthrich / Dr. Markus Edelmann

Wissenswertes zum Strafregister

Quellen:
- Bundesamt für Justiz BJ / Wissenswertes zum Schweizerischen Strafregister / Stand April 2021
- Marc Ph. Prinz und Jeannine Dehmelt, Kanzlei VISCHER: «Zulässigkeit von Backgroundchecks» in Newsletter Arbeitsrecht 04 April 2021, Weka Business Media AG