Portraits

Freiwillige im Einsatz

Kari, ich darf keinen Traktor fahren

Robert Zimmermann unterrichtete 37 Jahre Mathematik an der Bezirksschule Wohlen und amtete zwischenzeitlich auch als Rektor. 2005 wurde er pensioniert. Ein langersehnter Moment, der Robert Zimmermann aber bald mit Stille konfrontierte. Zu viel Stille für den heute 76-Jährigen. Seine Frau arbeitete damals noch als Geschäftsleiterin und Präsidentin der Spitex Wohlen und die gemeinsame Tochter war nicht mehr zuhause. Er vermisste die sozialen Kontakte und meinte mit einem Augenzwinkern: «Das Publikum hat mir gefehlt». 

Warum engagieren Sie sich freiwillig im Reusspark?

Ich habe 2006 in der Zeitung einen Artikel über einen Einführungskurs für Freiwillige gelesen, die Einsätze für demente Bewohner des Reussparks leisten möchten. Meine Frau und ich pflegten damals noch meine Schwiegermutter, die ebenfalls an Demenz erkrankt worden ist. Ich wollte mehr über die psychologischen Aspekte wissen, und wie man die Betroffenen darin unterstützen kann, die noch verbleibende Zeit lebenswert zu gestalten. Die Einsätze jeden Montagnachmittag von April bis Oktober sind für mich immer wieder herausfordernd, und ich schätze die sozialen Kontakte sehr. Zudem erkenne ich Parallelen zu meinem früheren Job als Lehrer und kann auch Erfahrungen von damals einbringen.

Welche Eigenschaften brauchen Sie bei Ihren Einsätzen mit den dementen Bewohner

Sehr viel Geduld, eine gewisse Schlagfertigkeit, Fantasie, Kreativität, Unbeschwertheit, die Fähigkeit, über den Schatten zu springen, Kommunikationsfähigkeit sowie die Bereitschaft, sich mit dem Thema Demenz auseinanderzusetzen. Und ganz wichtig für mich, die Fähigkeit für Validation. Das ist eine spezifisch für Menschen mit Demenz entwickelte Methode mit dem Ziel, das Verhalten von dementen Menschen als für sie gültig zu akzeptieren. Das erfordert viel Einfühlungsvermögen, denn Demente merken, wie man mit ihnen umgeht. Sie haben aber auch sehr wache Momente. An Demenz erkrankte Personen sind vollwertige Persönlichkeiten, die mit viel Respekt zu behandeln sind. Ein Beispiel wird mir immer in Erinnerung bleiben, als ein Bewohner zu mir sagte: „Mein Traktor steht da oben bereit, fahr mich nach Hause!“ und dann meinte ich: „Kari, ich darf keinen Traktor fahren, ich habe keine Fahrprüfung für Traktoren“. Die Antwort vom Bewohner war lustig wie überraschend zugleich: „Hast du das Gefühl, dass jeder Bauer die Traktorprüfung absolviert hat?“.

Wie gehen Sie mit schwierigen Situationen um?

Schwierig sind Situationen, wenn Bewohner sterben. Ein Kerzli und Foto beim Eingang der Abteilung behalten die Verstorbenen in Erinnerung und trösten. Dann gibt es schwierige Situationen bei den Einsätzen selber. Zum Beispiel wenn ein Bewohner aus dem Rollstuhl fällt. Es muss dann je nach Situation sehr schnell geholfen werden. Da muss man Ruhe bewahren und entsprechend Hilfe anfordern. Wir haben bei unseren Einsätzen immer das Smartphone dabei. Auch muss man sich selber schützen. Aufgrund meiner Rückenprobleme gehe ich zum Beispiel nur mit einer Person und nicht mit zwei Personen gleichzeitig spazieren, da ich sonst körperlich an meine Grenzen stosse. Das wissen die Verantwortlichen vom Reusspark und die anderen Freiwilligen. Auf die Bedürfnisse von uns Freiwillige wird eingegangen.

Wie bewahren Sie Distanz?

Wir, die Montagsgruppe, sind ein sehr eingespieltes Team. Wir erkennen schnell unangenehme Situationen und reagieren darauf. Zum Beispiel leisteten eine Freiwillige und ich einen Einsatz und betreuten eine Bewohnerin und einen Bewohner. Die Bewohnerin nahm mich schon bei der Begrüssung ziemlich ein und meine Kollegin reagierte gekonnt und meinte, dass die Männer doch zusammen spazieren gehen sollen. So konnten wir die Situation entschärfen. Nach einem Einsatz merke ich jeweils zuhause, dass mich das Engagement auch müde macht. Entsprechend lege ich mich dann eine Stunde hin und schaffe so Distanz. Der Austausch mit meiner Frau, die viel Erfahrung durch ihre Tätigkeit bei der Spitex hat, hilft mir, mich abzugrenzen. Und natürlich helfen mir auch meine verschiedenen Blickwinkel, die ich während meiner Tätigkeit als Lehrer gewonnen habe.

Welches sind die schönsten Momente?

Bei meinen Einsätzen gibt es viele Überraschungen und viele schöne Momente. Die schönsten Momente sind für die mich die Verabschiedungen nach einem Nachmittag im Spaziergarten. Die grosse Dankbarkeit der Bewohner, die sie durch den Händedruck und ihre Augen ausdrücken, gibt mir so viel zurück. Aber auch den Einführungstag und den Schlussabend, der von den Verantwortlichen des Reussparks jährlich organisiert wird, schätze ich sehr.

Hier geht es zur vollständige Ausgabe von benevol Nachrichten.

Der Reusspark sucht Freiwillige! Interessiert? Dann melden Sie sich hier